Unsterblich durch Technik? Über Mensch, Maschine und das Selbst

Sehnsucht nach Unsterblichkeit

Wir Menschen sind die einzigen Wesen, die wissen, dass sie sterben müssen – und vielleicht gerade deshalb die einzigen, die sich nach Unsterblichkeit sehnen. Unser Bewusstsein um die eigene Vergänglichkeit ist Fluch und Geschenk zugleich: Es konfrontiert uns mit dem Ende, und öffnet zugleich den Raum für Visionen, Mythen und Technologien, die das Ende überwinden wollen.

Der Transhumanismus erhebt diesen alten Traum zur Agenda. Mit Technik, mit Algorithmen, mit der Verschmelzung von Mensch und Maschine verspricht er uns nichts Geringeres als die Aufhebung unserer biologischen Begrenztheit. Ewiges Leben, perfektionierter Geist, digital gespeichertes Bewusstsein – klingt das nach Fortschritt oder nach Hybris?

Doch was heißt das eigentlich – Unsterblichkeit? Was verlieren wir, wenn wir den Tod überwinden? Ist es nur der Schrecken, der weicht – oder auch etwas Wesentliches, das uns ausmacht? Vielleicht liegt gerade in der Endlichkeit des Lebens seine Tiefe.

Vielleicht ist es unser Wissen um das Ende, das jedem Moment Bedeutung gibt. Vielleicht ist es der Tod, der das Leben wirklich lebendig macht.

Oder beginnt genau dann, wenn wir das Sterben transzendieren, erst eine neue Form des Seins – jenseits von Fleisch, Schmerz und Verfall? Eine Existenz, in der wir die engen Grenzen der Biologie hinter uns lassen und in eine andere Dimension des Menschseins eintreten?

Ich stelle diese Fragen nicht als Antwortgeber, sondern als Suchender. Als jemand, der sich nicht mit schnellen Gewissheiten zufriedengibt. Ich bin neugierig auf das, was bleibt, wenn wir an den Rändern des Menschlichen weiterdenken. Und ich frage mich, ob wir dort etwas Neues finden – oder ob wir vielleicht etwas Ursprüngliches wiederentdecken, das wir längst vergessen haben.

Die Vision der Verschmelzung

*„Die Vorstellung einer Gehirnschnittstelle fasziniert – und erschreckt zugleich. […] Vielleicht gewinnen wir Geschwindigkeit – und verlieren Tiefe.

Was heute noch wie Science-Fiction klingt, ist bereits im Gange: Mit Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCIs) können Menschen durch Gedanken eine Maus am Bildschirm bewegen. Ein erster Neuralink-Patient steuerte laut Elon Musk per Gedankensteuerung den Cursor (reuters.com). Zudem ermöglichen Experimente – etwa bei der Brown-Université-Studie „BrainGate“ – gelähmten Menschen das Tippen mittels gedacht-gestützter Cursorbewegung (worksinprogress.co). Noch sind es tastende Versuche – und doch nähern sie die Vision der Verschmelzung greifbar an.“*

➡️ Wirkung: „Die Matrix ist nicht nur Traum, sondern schon in kleinen Schritten Realität.“

Digitale Illustration eines menschlichen Profils aus leuchtenden Partikeln, verbunden mit goldenen Schaltkreisen auf tiefblauem Hintergrund – Symbol für die Verschmelzung von Mensch und Technik.
Die Vision der Verschmelzung: Wo menschliches Bewusstsein und technische Strukturen sich verweben, entsteht ein neuer Horizont von Selbst und Maschine.

Der Preis der Abkürzung

Wenn Wissen nicht mehr erarbeitet, sondern eingespeist wird – bin ich dann noch ich selbst?
Oder werde ich zum Träger fremder Erinnerungen, zum Gefäß für Daten, die mich prägen, ohne dass ich sie durchlitten oder errungen hätte?

Das Selbst entsteht doch aus dem Ringen, aus Versuch und Irrtum, aus Niederlagen und Erkenntnissen.
Wenn all das übersprungen wird – bleibt dann ein leerer Spiegel zurück, der zwar alles weiß, aber nichts davon wirklich erfahren hat?
Vielleicht ist der Preis der Abkürzung nicht nur der Verlust des Weges, sondern der Verlust des eigenen Gesichts.

Die offene Frage

Vielleicht ist es genau das, was uns ausmacht: dass wir den Weg nicht abkürzen können, ohne uns selbst zu verlieren.
Der Transhumanismus verspricht, Grenzen zu überschreiten – den Tod, das Vergessen, die Mühsal des Lernens.

Doch was bleibt, wenn all das verschwunden ist?
Sind wir dann vollkommener Mensch – oder etwas ganz anderes, das diesen Namen nicht mehr verdient?

Ich weiß es nicht. Ich stelle die Frage nur – wie ein Suchender, der ahnt, dass jede Antwort zugleich ein neues Rätsel gebiert.
Vielleicht liegt die Wahrheit nicht darin, Unsterblichkeit zu gewinnen, sondern darin, die Endlichkeit bewusst zu leben.
Vielleicht aber auch darin, mutig weiterzutreten – an die Grenze, hinter der wir selbst uns fremd werden.

© Mensch und KI im Spiegel der Zeit 2025

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